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THEMA:   Gedichte Kapitel 17

 119 Antwort(en).

Admin/Seniorentreff begann die Diskussion am 01.09.01 (08:19) mit folgendem Beitrag:

Kapitel 16 wird archiviert. Hier kann weiter gedichtet werden.


Admin/Seniorentreff antwortete am 01.09.01 (08:47):

Die Beiträge zu Kapitel 16 finden sie unter
htpp://www./seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a159.html

Die Mailliste wurde hierher übertragen.

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a159.html)


sieghard antwortete am 01.09.01 (08:49):


September

Der Garten trauert,
kühl singt in die Blumen der Regen.
Der Sommer schauert
still seinem Ende entgegen.

Golden tropft Blatt um Blatt
nieder vom hohen Akazienbaum.
Sommer lächelt erstaunt und matt.
in den sterbenden Gartentraum.

Lange noch bei den Rosen
bleibt er stehen, sehnt sich nach Ruh.
Langsam tut er die großen
müd gewordenen Augen zu.

[Hermann Hesse]

.


KarinD antwortete am 01.09.01 (09:49):

Hoffentlich steht's noch nicht irgendwo, ich liebe es:

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süsse in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern,
wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke


Heidi antwortete am 01.09.01 (09:54):



Wie die Geigen des Herbstes mein Herz verwunden
mit tiefem Seufzen, mit schwerem Sehnen
bleich mit stockendem Atem hör' ich die Stunden schlagen
gedenke vergangener Tage und weine

und wandern muß ich weiter im treibenden Wind
hierhin und dorthin
ein welkes Blatt

Verlaine


KarinD antwortete am 01.09.01 (14:16):

Noch mal Verlaine:

Ein Pavillon mit leichten Stäben
Schirmt sacht das Glück, das wir uns geben,
Von Rosen sind wir hold umhaucht;
Die zarten Rosendüfte mischen - weil Sommerwinde uns erfrischen
- Sich dem Parfum, das sie gebraucht;
Ihr Blick versprach es froh und licht:
Ihr Mut ist groß, es überträgt Ihr Mund ein Fieber, süß gehegt,
Und alles stillt die Lieb', nur nicht Den Hunger.
Doch Erquickung schenken
Uns Zuckerfrüchte nebst Getränken.

--------------------
Es weint in meinem Herzen,
Wie es regnet auf die Stadt,
Welches ist dieses Schmachten,
Das mein Herz durchdringt?

O sanftes Geräusch des Regens
Auf die Erde und auf die Dächer!
Für ein verdrießliches Herz,
O der Gesang des Regens!

Es weint ohne Grund
In diesem angeekelten Herzen,
Was! Keinerlei Verrat?
Diese Trauer ist ohne Grund.

Das ist der schlimmste Kummer,
Nicht zu wissen, warum,
Ohne Liebe und ohne Hass
Mein Herz so viel Kummer hat!

(Internet-Tipp: https://www.welt-der-rosen.de/rosged/rosgedic.htm)


Rosmarie Vancura antwortete am 01.09.01 (15:57):


Fremder Weg

Wege verlaufen, kreuz und quer
vom Anfang zum Ende,
vom Ende zu Anfang,
aber wo ist der Anfang, wo das Ende?

Wer findet im Gewirr seinen Weg?
Geht nicht ein Mensch dort
einsam in seinen Mantel gehüllt
Es regnet. Sein Gang ist schwer.
Und der Wind zerrt in seinem Haar.

Er steigt bergan - bleibt stehen
und schaut zurück.
Er ist müde und voller Zweifel,
aber niemand begegnet ihm.

Weiss er seinen Weg
unter den zahllosen anderen?
Wenn er den falschen geht,
wer holt ihn heim?

Wege verlaufen kreuz und quer,
Ihr Netz bedeckt die Erde.
Bevor du schreitest - wähle!
Zurück finden wenige nur....

Gebhard Schuhböck


Gabriela antwortete am 01.09.01 (16:50):

Ich bin`s noch mal, ich bin endlich fertig mit der Interpretation, eigentlich ist`s ja ein Vergleich, ich will nur noch mal wissen, WAS IHR DAVON HALTET:

In ihrem, der Epoche des Realismus zugeordentem Gedicht „Im Sommer“, das aus vier Strophen mit jeweils fünf Versen besteht, beschreibt Sarah Kirsch die Erinnerungen, die sie an ihre ostdeutsche Heimat, welche sie 1977 verlassen mußte, hat.
Jedoch wird dem Leser nicht gleich zu Beginn mitgeteilt, daß es sich bei der geschilderten, von bäuerlicher Einfachheit geprägten, friedlichen Koexistenz von Natur und Mensch, nicht um den gegenwärtig vorherrschenden Zustand, sondern um ein andachtsvolles Gedenken des Vergangenen, handelt.
Die Beziehung des Menschen zu seiner landschaftlich Umgebung, einer unberührten Tier -und Pflanzenwelt ,hat auch Theodor Storm in seinem vierstrophigen und ebenfalls realistischen Gedicht „Abseits“ motivisch verarbeitet, wobei er allerdings seine gegenwärtigen Empfindungen schildert, über die er sich zudem wesentlich detailbezogener äußert.

Bereits durch die von ihr verwendete äußere Form macht Sarah Kirsch dem Leser die vorherrschenden schmucklosen Lebensumstände deutlich, da sie, im Gegensatz zu Storm, völlig auf ein Reimschema verzichtet.
Auch die ersten Zeilen, welche die, vom nüchternen Titel geweckte Erwartungen, eines harmonischen, von der Hast der modernen Zeit verschont gebliebenen Landschsftsbildes, zu erfüllen scheinen; lediglich die „riesigen Felder und Maschinen“ könnten ein Hinweis auf die großen Agrar-Betriebe ihrer Heimat, der DDR, sein.
So ist es für die Autorin vorrangig wichtig, einen Eindruck von der imposanten Weite der Felder und dem einträchtigen Zusammenleben der Menschen zu vermitteln, wohingegen Storm vor allem daran gelegen ist, die Stille und entspannende Ruhe seiner heimatlichen Umgebung in den Vordergrund zu stellen.
Mit der Personifikation „liegen die Dörfer schläfrig“ gerät Kirsch ins Schwelgen, aus einer einfachen, bildhaften Erinnerung entwickelt sich ein tief emotionales Zurükblicken, das jedoch nicht von Dauer ist, denn der Neologismus „Buchsbaumgärten“ könnte, dadurch, daß er hier im Plural verwendet wird, eine leise Kritik an der vorherrschenden Einheitlichkeit sein, die trotz der Abgeschiedenheit in das Leben jedes einzelnen vorgedrungen ist. Gänzlich anders setzt Storm seine peronifizierente Wortneuschöpfung „Mittagssonnenstrahle“ ein, denn diese hat, wie auch der ebenfalls träumerische Ausdruck „rosaroter Schimmer“, der noch zusätzlich durch ein Enjambement betont wird, die Aufgabe, die Schönheit der Natur und deren harmonische Atmosphäre zu unterstreichen.
Mittels eines Enjambements wird in dem Gedicht „Im Sommer“ die fünfte Zeile in besonderem Maße betont, in diese bäuerliche Scheinidylle passen „Katzen“ aufgrund ihrer Gutgläubigkeit und
der , ihnen oft zugesprochenen Naivität besonders gut, was auch durch die Aussage „selten trifft sie ein Steinwurf“ nochmals zusätzlich unterstreicht, denn in dieser heilen Welt, in der die Menschen leben,
nimmt niemend heranschleichendes Unheil war, von den wirklichen Problemen, die die Gesellschaft beschäftigen, bemerkt keiner etwas.
Doch auch die Autorin selbst beginnt bei dem Gedanken an diese malerische Landschaft zu schwärmen, so daß sie das fallende Laub der Bäume mit leuchtenden Sternen assoziert, gleichzeitig deutet sie durch diesen Parallelismus aber auch eine gewisse Ignoranz der Bevölkerung an, die sich, geblendet vom scheinbaren Einklang, in dem sie leben, darüber hinwegtäuschen lassen, daß ihr friedliches Dasein ernsthaft bedroht ist.
Die Konsequenz dessen wird in der Mitte der dritten Strophe offenbar, das vorangestellte „noch“ enthüllt nun dem Leser, daß die vorangegangenen Schilderungen bereits der Vergangenheit angehören, die Gegenwart bietet keine Chance zum Umdenken mehr, da in ihr die nätürliche Schönheit und Harmonie nicht mehr existieren, was im Geicht noch zusätzlich durch einen Zeilensprung hervorgehoben wurde.
Da auch Kirsch selbst den Gedanken daran, daß die Realität nun eine andere ist, nicht ertragen kann, flüchtet sie sich wieder in ihre Erinnerungen, in denen die Natur immer noch ihre ursprüngliche Macht besitzt, so daß sie Wolken hervorbringen kann, die so imposant erscheinen, daß sie Kirsch an gewaltige Berge erinnern.
Storm hingegen hat keine nostalgische Träumerei nötig, da das, was er bechreibt, die volle Schönheit der ihn umgebenden Tier -und Pflanzenwelt noch immer der Realität entspricht, um dies hervorzuheben verwendet er auch Enjambements, die damit einen gänzlich anderen Zweck als die im Gedicht „Im Sommer“ vorkommenden Zeilensprünge dienen.
Ein weiterer Gegensatz besteht ebenalls darin, daß er die jetzige Zeit zwar auch mit dem Vergangenen, wie „alten Gräbermalen“ und „einem halb verfallen niedrig Haus“ in Verbindung bringt, sie für ihne jedoch keinen Kontrast, sondern eine Einheit bilden.
Seine heile Welt, in der Mensch zwar von der Natur profitiert, sie aber gleichzeitig auch mit all ihren kleinen Eigenheiten wie „Laufkäfern“ und „Bienen“ schätzt und achtet und von ihnen fasziniert ist, sieht Storm auch keiner Bedrohung ausgesetzt, die Idylle, die durch die Verdoppelung „Zweig um Zweig“ einen fast liedhaften Charakter erhält, ist nicht nur vorgetäuscht, sondern real.
Bei Kirsch hingegen kann die Sorglosigkeit nur dadurch aufrecht erhalten werden, daß mn sich gegen negative Einflüsse abzuschotten versucht: „Wenn man hier keine Zeitung hält, ist dei Welt in Ordnung“, um also das Gefühl des idyllischen Lebens zu bewahren, werden Warnungen, die auf gesellschaftliche Misstände aufmerksam machen, nicht wahrgenommen oder ignoriert, denn obwohl die Felder „feuerrot leuchten“ und damit eine heranziehende Gefahr verkünden, wobei speziell die Farbe rot als Anspielung auf den in ihrer Heimat vorherrschenden Sozialismus verstanden werden kann, scheint sich niemand dafür zu interressieren.
Die Autorin stellt dies zusätzlich durch ein Enjambement in den Vordergrund, denn anders als in Storms Gedicht, in dem die träumerische Abgeschiedenheit, wie schon der Titel sagt, abseits vom Lärm der Moderne, die Menschen verbindet, bringt Kirsch die in der Gesellschaftt vorherrschende Egozentrik und Ichbezogenheit, die sie dafür verantwortlich macht, daß das idyllische Bild das sie immernoch von ihrer früherern Heimat hat, nun der Vergangenheit angehört, durch ihre Formulierung „spiegelt sich schön das eigene Gesicht“ zum Ausdruck.

So beschreiben zwar beide Gedichte das einfache, bäuerliche Leben der Menschen in einer abgeschieden gelegenen und von der Hekrik der „aufgeregten Zeit“ verschont gebliebenen Dorflandschaft, unterscheiden sich jedoch grundlegend in ihrer Sicht auf den zeitlichen Wandel, denn während Sarah Kirsch fast ausschließlich Erinnerungen an das Vergangene schildert, da die Gegenwart, die sie erlebt, keinerlei Harmonie und Idylle mehr beinhaltet, bilden für Storm beide Zeiten eine Einheit, für ihn blieb die natürliche Schönheit der geschilderten Tier -und Pflanzenwelt bis zum heutigen Tag erhalten und hat nichts von ihrer Attraktivität verlohren.


Heidi antwortete am 02.09.01 (00:22):

Erstaunlich, was Dir alles zu Kirschs Gedicht eingefallen ist, Gabriela ;-). Ich habe es mit Interesse gelesen.

Da ich zu den Menschen gehöre, die Gedichte eher gefühlsmässig aufnehmen, kann ich keinen Kommentar zu Deiner Interpretation abgeben.

Die letzten zwei Stunden habe ich mich mit der Liebe beschäftigt (in Gedichten natürlich ;-) damit keine Missverständnisse aufkommen) daher zur Nacht mal wieder ein Liebesgedicht:

VIVA! (für mlB)

Mein Wünschen sprudelt in der Sehnsucht meines Blutes
Wie wilder Wein, der zwischen Feuerblättern glüht.
Ich wollte, Du und ich, wir wären eine Kraft,
Wir wären eines Blutes
Und ein Erfüllen, eine Leidenschaft,
Ein heisses Weltenliebeslied!

Ich wollte, Du und ich, wir würden uns verzweigen,
Wenn sonnentoll der Sommertag nach Regen schreit
Und Wetterwolken bersten in der Luft!
Und alles Leben wäre unser Eigen;
Den Tod selbst rissen wir aus seiner Gruft
Und jubelten durch seine Schweigsamkeit!

Ich wollte, dass aus unserer Kluft sich Massen
Wie Felsen aufeinandertürmen und vermünden
In einen Gipfel, unerreichbar weit!
Dass wir das Herz des Himmels ganz erfassen
Und uns in jedem Hauche finden
Und überstrahlen alle Ewigkeit!

Ein Feiertag, an dem wir ineinanderrauschen,
Wir beide ineinanderstürzen werden,
Wie Quellen, die aus steiler Felshöh' sich ergiessen
In Wellen, die dem eignen Singen lauschen
Und plötzlich niederbrausen und zusammenfliessen
In unzertrennbar, wilden Wasserheerden!

Elke Laske-Schüler


KarinD antwortete am 02.09.01 (08:28):

Hoffentlich hattet Ihr alle einen schönen Schlaf:

Nacht

Mit Dämmerung und Amselschlag
Kommt aus den Tälern her die Nacht.
Die Schwalben ruhn, der lange Tag
Hat auch die Schwalben müd gemacht.

Durchs Fenster mit verhaltenem Klang
Geht meiner Geige müder Strich.
Verstehst du, schöne Nacht, den Sang -
Mein altes Lied, mein Lied an dich?

Ein kühles Rauschen kommt vom Wald,
Dass mir das Herz erschauernd lacht,
Und leis mit freundlicher Gewalt
Besiegt mich Schlummer, Traum und Nacht.

(Hermann Hesse)


Georg Segessenmann antwortete am 02.09.01 (15:42):

Oh süsse Nacht, die Worte schweigen,
mein müdes Haupt liegt schon im Bett.
Doch die Gedanken tanzen Reigen,
in den Ohren klingt ein Menuett.

Der Sandmann hat den Sack verloren,
er selbst steht ganz verdattert da
und hat bestimmt sich nun geschworen:
"Dem Schorsch tret ich heut nimmer nah!"

Schorsch S.


Rosmarie Vancura antwortete am 02.09.01 (19:21):

Die Aepfel reifen der Ernte entgegen und ich habe dazu ein kleines, hübsches Gedicht ausgegraben:

S C H E R Z O
_____________

Der Apfelbaum im Garten
hängt von Früchten schwer.
Wir gehen immer wieder
staunend um ihn her.

Und lassen ihn noch prangen
in seiner vollen Pracht,
wie Sommer ihn und Sonne
so wunderschön gemacht.

Den allerersten Apfel
biet ich der Tochter dar,
weil ihre Ur-Urmutter
die Eva war.

Hermann Claudius
Urenkel v.Matthias Claudius


Luzia antwortete am 03.09.01 (13:47):

Heute heißt es: Noch 121 Tage bis zum Euro.
Dazu etwas über Geld von<<<<<
Daß unser Geld nicht bleibt gesund,
hat, wenn man nachdenkt, guten Grund:
Unschuldig selbst,wirds arg mißbraucht:
Versoffen wirds,verlumpt,verraucht;
Mit Aderlaß und Währungsschnitt
spielt mancher Pfuscher bös ihm mit.
Bald wird es fiebernd heiß begehrt,
bald kalt verachtet,weil nichts wert.
Leichtsinnig auf den Kopf gehauen,
verliert es bald sein Selbstvertauen.
Oft zwischen Erd und Himmel bang
schwebt es, als Kaufkraftüberhang.
Dann wirds gedrosselt von den Banken -
der ganze Kreislauf kommt ins Wanken.
Hier wirds zum Fenster nausgeschmissen,
dort alle Welt mit ihm besch.....
Im Kampf ums Dasein wirds zerrieben,
als Steuer herzlos eingetrieben.
Auch macht es glücklich nicht allein;
als Mitgift kanns gar giftig sein!
Man will mit ihm bestechen,schmieren -
und dann solls noch die Welt regieren!
Das alles,wies auch wirkt und schafft,
geht schließlich über seine Kraft!!!


Luzia antwortete am 03.09.01 (14:28):

Zu obigem Eintrag muß es heißen:

Dazu etwas über Geld von<<
Ich weiß nicht, weshalb der Name nicht erschienen ist.

Herzlichen Gruß<


Luzia antwortete am 03.09.01 (14:32):

Na, da treibt wohl jemand einen Scherz mit mir.

Eugen Roth<< muß es heißen.

Gruß Luzia


KarinD antwortete am 04.09.01 (07:43):

Der Herbst läßt sich nicht mehr verleugnen, daher:

Ich sah den Wald sich färben

Ich sah den Wald sich färben,
Die Luft war grau und stumm;
Mir war betrübt zum Sterben,
Und wußt' es kaum, warum.

Durchs Feld vom Herbstgestäude
Hertrieb das dürre Laub;
Da dacht' ich: deine Freude
Ward so des Windes Raub.

Dein Lenz, der blütenvolle,
Dein reicher Sommer schwand;
An die gefrorne Scholle
Bist du nun festgebannt.

Da plötzlich floß ein klares
Getön in Lüften hoch:
Ein Wandervogel war es,
Der nach dem Süden zog.

Ach, wie der Schlag der Schwingen,
Das Lied ins Ohr mir kam,
Fühlt' ich's wie Trost mir dringen
Zum Herzen wundersam.

Es mahnt' aus heller Kehle
Mich ja der flücht'ge Gast:
Vergiß, o Menschenseele,
Nicht, daß du Flügel hast.

(Emanuel Geibel)




Gisa Ruf antwortete am 04.09.01 (17:07):

Erst im September vernehme ich
den Herzschlag des Sommers: Fall mürber Äpfel ins Gras.
Erst wenn der Sommer die Dahlienpredigt hält,
lassen die Gärten Insekten auf, die milde
Zeit zu bestäuben und zu vermehren.

Erst wenn Zugvogelschwärme wie kräftige Hände
den Himmel bergen,
das Segel, unter dem die Landschaft
pfeilschnell dahingrünte,
dulden die Zeiger den Augenblick auf der Uhr;
und das Herz, der kleine Falter Vergänglichkeit,
klammert sich an die staubigen Blätter.
(C.Guesmer)


Heidi antwortete am 04.09.01 (22:03):

Liebe Gabriela,

Das Thema Gedichte ist "traditionsgemäß" :-) eigentlich nur für Gedichte gedacht mit maximal kleinen Randbemerkungen.

Wenn es Dir recht ist - und allen anderen auch, werde ich ein neues Thema eröffnen - Gedichte und Interpretationen - und Deine Anfrage dorthin transferieren

Dort könnte man sich dann ausführlich über Gedichte unterhalten.

Einverstanden?

Herzlichen Gruss - Heidi


Heidi antwortete am 04.09.01 (22:20):

Der Beitrag von Gabriela wurde hier gelöscht und kann unter dem Thema "Gedichte und Interpretationen" nachgelesen und beantwortet werden


Heidi antwortete am 04.09.01 (22:45):

Drei Gedichte von Ingeborg Kaiser

zeitlich

nicht nur zeit
verliert sich
alles geht
verloren mit
der zeit auch
deine angst
vor endlichem

***

im licht
des abends kauern
träume vom
kahlschlag
ortlos sehnsucht
kann sterben
sagen sie was
dann wovon
leben

***

spuren

da steht
noch wein da
sind noch
worte wachsen
spuren fließt
der strom

da geht
die zeit
verblassen
träume wächst
erinnerung

da singt
die sehnsucht
weint das
lachen kreist
der vogel
überm eis

Ingeborg Kaiser in "heimliches laster lyrik"
eFeF-Verlag Zürich-Dortmund, ISBN 3-95493-32-2


KarinD antwortete am 06.09.01 (07:33):

Guten Morgen!
Vielleicht standen diese Zeilen schon mal in einer der Seiten. Bei so viel Vorrat.....

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel faellt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

(Hermann Hesse)


Luzia antwortete am 06.09.01 (23:01):

Hier einige schöne Verse von...))) Eugen Roth

Gutmütigkeit

Wir nennen einen Menschen gut,
der, was wir von ihm möchten, tut
und drum - erbost zwar oft im stillen -
verzichtet auf den eignen Willen.
Es sind gerade die Gefälligen,
die wir mit jedem Dreck behelligen.
Sie werden, weich und ungeschützt,
von jedem schamlos ausgenützt.
Sie wähnen sich geheilt für immer
oft nach Erfahrung, allzu schlimmer;
Ja, sie bekennen selber frei,
daß ihre Dummheit sträflich sei.
Und doch: sehn sie auch alles klar, -
Gutmütigkeit ist unheilbar!!
============

Begegnung

Zwar fragen uns Bekannte stets,
wenn sie uns treffen:"Na, wie gehts?"
Doch warten sie so lange nie,
bis wir es sagen könnten, wie.
Wir stellen drum statt langer Klage,
sofort die kurze Gegenfrage.
Dann ziehen höflich wir den Hut
und sagen beide:"Danke, gut!"
Wir scheiden, ohne uns zu grollen-
weil wirs ja garnicht wissen wollen.
==========

Bitte

Der Alltagsmensch ist schwer erkrankt
am Leben, öd und unbedankt.
Ich bitt euch herzlich: lobet ihn!
Lob ist die beste Medizin.


Brita antwortete am 07.09.01 (09:27):

Es gibt mich noch, ich war in Kurlaub.... Habe sehr viele schöne und interessante Beiträge vorgefunden. Wünsche allen einen guten Tag....

Blumen

Ein Mensch, erkrankt schier auf den Tod
An Liebe, ward mit knapper Not
Gerettet noch von einer Mimin,
Die sich ihm hingab als Intimin.
Noch wild erfüllt von Jubelbraus
Geht er in tiefer Nacht nach Haus;
Er dampft vor Dankbarkeit und Wonne,
Ein jeder Stern wird ihm zur Sonne:
Ha! Morgen stellt er um den Engel
Gleich hundert Orchideenstengel...
Er wird, und sollts ihn auch zerrütten,
Das Weib mit Rosen überschütten...
Nicht Rosen, nein, die schnell verwelken -
Er bringt ihr einen Büschel Nelken...
Sollt man nicht jetzt, im Winter nehmen
Vier, drei, zwei schöne Chrysanthemen?
Wie wär es, denkt er hingerissen,
Mit Tulpen oder mit Narzissen?
Entzückend ist ein Primelstöckchen;
Süß sind des Lenzes erste Glöckchen.
Doch damit, ach, ist sein Gemüt
Denn auch so ziemlich abgeblüht.
Er sinkt ins Bett und träumt noch innig:
Ein Veilchenstrauß, das wäre sinnig...

Eugen Roth


Heidi antwortete am 07.09.01 (10:45):

Erklär mir, Liebe

Dein Hut lüftet sich leis; grüßt, schwebt im Wind,
dein unbedeckter Kopf hat's Wolken angetan,
dein Herz hat anderswo zu tun,
dein Mund verleibt sich neue Sprachen ein,
das Zittergras im Land nimmt überhand,
Sternblumen bläst der Sommer an und aus,
von Flocken blind erhebst du dein Gesicht,
du lachst und weinst und gehst an dir zugrund,
was soll dir noch geschehen -

Erklär mir, Liebe!

Der Pfau, in feierlichem Staunen, schlägt sein Rad,
die Taube stellt den Federkragen hoch,
vom Gurren überfüllt, dehnt sich die Luft,
der Entrich schreit, vom wilden Honig nimmt
das ganze Land, auch im gesetzten Park
hat jedes Beet ein goldner Staub umsäumt.

Der Fisch errötet, überholt den Schwarm
und stürzt durch Grotten ins Korallenbett.
Zur Silbersandmusik tanzt scheu der Skorpion.
Der Käfer riecht die Herrlichste von weit;
hätt ich nur seinen Sinn, ich fühlte auch,
daß Flügel unter ihrem Panzer schimmern,
und nähm den Weg zum fernen Erdbeerstrauch!

Erklär mir, Liebe!

Wasser weiß zu reden,
die Welle nimmt die Welle an der Hand,
im Weinberg schwillt die Traube, springt und fällt.
So arglos tritt die Schnecke aus dem Haus!

Ein Stein weiß einen andern zu erweichen!

Erklär mir, Liebe, was ich nicht erklären kann:
sollt ich die kurze schauerliche Zeit
nur mit Gedanken Umgang haben und allein
nichts Liebes kennen und nichts Liebes tun?
Muß einer denken? Wird er nicht vermißt?

Du sagst: es zählt ein andrer Geist auf ihn...
Erklär mir nichts. Ich seh den Salamander
durch jedes Feuer gehen.
Kein Schauer jagt ihn, und es schmerzt ihn nichts.

Ingeborg Bachmann


hl antwortete am 07.09.01 (22:11):

Frage und Antwort

Ab und zu
wenn ich mich zu tief
in meiner Gedankenwelt verloren habe
gehe ich hinaus
ins Freie

sehe den Himmel, die Häuser,
fremde Menschen um mich herum:
Hier ist das Leben.

Aber:
wo ist mein Leben?

Ab und zu
wenn ich viele Stunden lang
die Not der anderen gelindert habe
gehe ich im Dunkel
nach Hause

Sehe erleuchtete Fenster
fremde Menschen beim Abendbrot:
Hier ist das Leben.

Aber:
wo ist mein Leben?

Ab und zu
wenn ich nach Hause komme
und an meinem Schreibtisch sitze
werden die Bilder des Tages
zu Worten, zum Gedicht.

Das ist mein Leben.


hl


KarinD antwortete am 08.09.01 (09:53):

Huhu, Heidi!

Du hast es ja wieder gepackt: Welch ein schönes Gedicht!.
Wann gibt es ein Buch von Dir?????????

Danke, und schönen Samstag von
Karin.


Heidi antwortete am 08.09.01 (16:40):

Ein bißchen Kitsch ;-)


Es wird Herbst

Regne, regne, Regen leise,
regnest in mein Herz hinein,
Sonne auf der Reise.

Wehe, wehe, Wind so kalt,
rote Sommerblüten welken
Blätter fallen bald,

Frage, frage, Seele frage:
Wo ist Wärme, wo ist Licht?
dunkel sind die Tage.

Leuchtet, leuchtet, kleine Kerzen,
in der Dunkelheit:
Herz wird weit.

hl


Rosmarie S antwortete am 08.09.01 (17:01):

> Leuchtet, leuchtet, kleine Kerzen,
> in der Dunkelheit:
> Herz wird weit.

Liebe Heidi,
wieso Kitsch? Ich sehe da nur viel positive Emotionalität, mit der wir versuchen, dem Dunkel eine anheimelnde Seite abzugewinnen. Lebensbewältigung sozusagen... :-))) Mir gefällt dein Gedicht sehr gut!

Herzliche Grüße
Rosmarie


KarinD antwortete am 08.09.01 (17:11):

Frage auch, wieso Kitsch, liebe Heidi?
Ach, seufz, es ist einfach nur schön.

Sie hat es drauf, gelle ROSEMARIE? Du beschreibst es gut, wie Du H's Gedicht empfindest.

Liebe Grüße, Karin.


Georg Segessenmann antwortete am 08.09.01 (18:52):

Gar vieles, das als Kitsch verachtet,
ist, wenn von andrer Seit betrachtet,
Kultur im besten Sinn des Wortes,
und - wenn am richtigen Ort es -
so geht es uns ins Herz hinein.
Es muss nicht immer Goethe sein!

Herzliche Grüsse an alle DichterInnen

Schorsch


Heidi antwortete am 08.09.01 (21:40):

Traum vom Geliebten (für mlB)

ich habe geträumt
von meinem Geliebten
es war ein schöner
Traum

ich erwachte
und mein Geliebter
war nicht bei
mir

heute nacht
will ich weiter träumen
vielleicht
wache ich eines Tages auf
und mein Geliebter
ist hier

hl

Gute Nacht an alle :-)


KarinD antwortete am 09.09.01 (13:48):

9. September 1918
Der 1. Weltkrieg ist zu Ende, die deutsche Republik wird ausgerufen. Der Waffenstillstand wird zwei Tage später unterzeichnet.

Die andre Möglichkeit

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
mit Wogenprall und Sturmgebraus,
dann wäre Deutschland nicht zu retten
und gliche einem Irrenhaus.

Man würde uns nach Noten zähmen
wie einen wilden Völkerstamm.
Wir sprängen, wenn Sergeanten kämen,
vom Trottoir und stünden stramm.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wären wir ein stolzer Staat.
Und preßten noch in unsern Betten
die Hände an die Hosennaht.

Die Frauen müßten Kinder werfen.
Ein Kind im Jahre. Oder Haft.
Der Staat braucht Kinder als Konserven.
Und Blut schmeckt ihm wie Himbeersaft.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wär der Himmel national.
Die Pfarrer trügen Epauletten.
Und Gott wär deutscher General.

Die Grenze wär ein Schützengraben.
Der Mond wär ein Gefreitenknopf.
Wir würden einen Kaiser haben
und einen Helm statt einem Kopf.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,
dann wäre jedermann Soldat.
Ein Volk der Laffen und Lafetten!
Und ringsum wär Stacheldraht!

Dann würde auf Befehl geboren.
Weil Menschen ziemlich billig sind.
Und weil man mit Kanonenrohren
allein die Kriege nicht gewinnt.

Dann läge die Vernunft in Ketten.
Und stünde stündlich vor Gericht.
Und Kriege gäb's wie Operetten.
Wenn wir den Krieg gewonnen hätten
zum Glück gewannen wir ihn nicht!

(Erich Kästner)

(Internet-Tipp: https://www.gedichte.de)


Barbara antwortete am 09.09.01 (14:53):

hallo,kann mir jemand mitteilen wer das folgende Gedicht geschrieben hat:
Es weht der Wind ein Blatt vom Baum
von vielen Blättern eines.
Das eine Blatt man merkt es kaum,
denn eines ict ja keines,
doch dieses eine Blatt allein
war Teil von meinem Leben,
drum wird das eine Blatt allein
mie immer wieder fehlen.


Annemarie Florit antwortete am 09.09.01 (17:08):

Hallo,an alle und einen schönen Sonntag .Heute möchte ich mich auch mal beteiligen.

und noch ein Gedicht......


Ich warte

Du wolltest mit mir durch den Frühling gehen,
wir wollten die Blumen wachsen sehen-
nur einen Tag

Du wolltest im Sommer unter den Bäumen liegen,
mich in Deinen Armen wiegen -
nur einen Tag.

Du wolltest mit mir durch den Herbstwald gehen,
die Blätter der Bäume sich färben sehen-
nur einen Tag.

Der Winter zieht ins Land,
wir gehen nicht mal Hand in Hand,
noch nicht mal einen Tag.

Doch es tut Dir leid,
Du hast keine Zeit-
nicht einen Tag.

Wir wollten der Sonne entgegen gehen,
doch die Jahreszeiten ziehen so dahin -
Tag für Tag.

Was bleibt ist die Hoffnung,
ich warte auf den nächtsten Frühling,
Tag für Tag.

Erkennst Du Dich ?


KarinD antwortete am 09.09.01 (17:48):

Liebe Barbara!

Das Gedicht ist von Mascha Keleko und heißt "Über den Tod". Hier der gesamte Text:

Es weht der Wind ein Blatt vom Baum,
von vielen Blättern eines.
Das eine Blatt, man merkt es kaum,
denn eines ist ja keines.
Doch dieses eine Blatt allein,
war ein Teil von unserem Leben,
drum wird dies' eine Blatt allein
uns immer wieder fehlen.

Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tode derer die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn Sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang,
und lass mich in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem gleiches wiederfuhr.
Und die es trugen mögen mir vergeben.

Bedenk: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andern muss man leben.

(Ich meine, es ist aus dem Buch "In meinen Träumen läutet es Sturm").

Ich hoffe, ich konnte Dir helfen!

Lieben Gruß von Karin.


Heidi antwortete am 09.09.01 (19:36):

Ich singe mit dem Wind


Der Herbstwind malt Rosen
auf meine Wangen
gibt meinen Lippen
die Glut vergangener Tage
zurück

schön machst du mich, Geliebter
- ich tanze mit dem Wind

Der Herbstwind umarmt mich
streichelt mein Gesicht
spielt mit meinen Locken
hält mich in seiner Umarmung
fest

geborgen fühl ich mich, Geliebter
- ich treibe mit dem Wind

Der Herbstwind singt mir
ein leises sanftes Lied
von einer schöneren Welt
weit weit entfernt
von hier

schön singst du, Geliebter
- ich singe mit dem Wind

Wenn im nächsten Jahr
die Herbststürme toben
lauscht..

hl


Herbertkarl Huether antwortete am 09.09.01 (20:43):


hohe zeiten

berg im berg
seitwaerts der taeler
beruehrte mein mund den
abdruck deines mundes
der geworfen an seine gefuehle
mir sagte
dass es so sein muss

seh dein gesicht
und erinnere mich
dass du werden wolltest
wie ich dir vorschlug

nehm dein liebes gesicht
in meine leidendenden haende
und fuehle gewissheit
zu dir zu gehoeren

trete ein in den kreis der geschundenen
deren anliegen gefuehl war
das sie gaben
an deine scham

eifere nicht an engel
die jauchzend ihre ungeduld bekunden
starke fesseln sind
behindernd dein grund

leite an die idee
des unbekuemmerten verstandes
der deiner sprache
des wohlbehagens entwuchs

sage wohl deiner maid
um sie in zukunft zu treffen

nicht wege genug
sie zu vergessen
denn atmend ist sie bei mir

hkh


hl antwortete am 09.09.01 (21:32):

irrationales

die seele einer frau
kommt mit ihr zur welt
(im gegensatz zu den männern
die haben keine seele
darum suchen sie sie bei den frauen)

die seele einer frau
kommt mit ihr zur welt
sie ist fest mit ihr verbunden
(darum gelingt es dem mann niemals
eine frau zu verstehen, er sieht
ihre seele nicht)

die seele einer frau
kommt mit ihr zur welt
sie ist fest mit ihr verbunden
und bestimmt ihr leben
(der mann mit seinem rationalen
denken wundert sich, wenn die
frau irrational handelt)

die seele einer frau
kommt mir ihr zur welt
sie ist fest mit ihr verbunden
und bestimmt ihr leben
die seele einer frau
argumentiert nicht
sie fühlt
(der mann fühlt mit seinem körper
wenn die ratio ausgeschaltet ist)

manchmal verirrt sich eine seele
bei der geburt in ein männliches kind
sieh da, ein mann mit einer frauenseele
sie sind so selten wie ein vierblättriges kleeblatt,
wenn du einen findest,frau
halt ihn fest

hl


eva antwortete am 10.09.01 (17:41):

CATULL, römischer Lyriker zur Zeit Caesars und Ciceros,
(ca. 87 - 54 v.Chr.) berühmt für seine Gedichte an seine
unerwiderte Liebe Lesbia, schrieb diese Verse auf den Tod
ihres Sperlings :


Lugete, o Venetes Cupidinesque
et quantum est hominum venustiorum ! ...(...)


Klaget all, Aphroditen und Eroten,
und ihr, die Aphrodite reich begnadet !

Tot ist er, meines Mädchens Sperling, jener
Sperling, einst meines Mädchens kleiner Liebling,
den sie lieber gehabt als ihre Augen;
denn gar honigsüß war er, kannte seine
Herrin ebensogut, wie´s Kind die Mutter,
wollte nimmer von ihrem Schoße weichen,
sondern hüpfte im Kreis bald dahin, dorthin,
nur zu seiner Gebieterin hinzirpend.

Und nun geht er den dunklen Weg entlang, von
dem noch keiner, so sagt man, wiederkehrte.
Doch dir fluche ich, böse Schattenwelt des
Orkus, die alles Schöne schlingt hinunter !
Den so lieblichen Sperling mir zu rauben !
O der schändlichen Tat ! O ärmster Sperling !
Du bist schuld an den Tränen meines Mädchens,
die ihr röten die gramgeschwellten Äuglein !



Zaki Allahwala antwortete am 10.09.01 (19:26):

Hallo! Wer kennt ein schönes Gedicht oder eine lustige oder besinnliche Rede zum 60. Geburtstag?


KarinD antwortete am 10.09.01 (19:29):

Hallo, Zaki!

Macht doch entweder selber eines, oder klick unten probeweie auf den Link.

Gruß von K.

(Internet-Tipp: https://www.geburtstagsgedichte.de)


Brita antwortete am 10.09.01 (19:55):

Sommerneige

Der grüne Sommer ist so leise
Geworden, dein kristallenes Antlitz.
Am Abendweiher starben die Blumen,
Ein erschrockener Amselruf.

Vergebliche Hoffnung des Lebens. Schon rüstet
Zur Reise sich die Schwalbe im Haus
Und die Sonne versinkt am Hügel;
Schon winkt zur Sternenreise die Nacht.

Stille der Dörfer: es tönen rings
Die verlassenen Wälder. Herz,
Neige dich nun liebender
Über die ruhige Schläferin.

Der grüne Sommer ist so leise
Geworden und es läutet der Schritt
Des Fremdlings durch die silberne Nacht.
Gedächte ein blaues Wild seines Pfads,

Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre!

Georg Trakl


Heidi antwortete am 10.09.01 (23:08):

An den Herbst

III

Wo sind die Frühlingslieder? Ja, wohin?
Denk nicht an sie, Musik besitzt auch du —
Da welken Tagen Streifenwolken blühn
Und deckt ein Rot-Ton Stoppelfelder zu:
Dann jammern Mücken ihren Wehgesang
In Uferweiden, steigen, um sogleich
Zu sinken, stirbt, lebt auf der leichte Wind;
Und Lämmer blöken laut vom Bach am Hang;
Busch-Heimchen singen; und nun zittert weich
Der Pfiff des Rotkehlchens im Gartenreich,
Da zwitschernd Schwalben in den Lüften sind.

Keats


KarinD antwortete am 11.09.01 (08:33):

HEIDI, warum nur die 3. Strophe?? Es ist ein so schönes Gedicht!

BRITA, auch ich mag Trakl, wenn er auch nicht immer einfach ist. Hier hab ich auch einen:

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Georg Trakl (1887-1914)

Gruß von Karin.



Herbertkarl Huether antwortete am 11.09.01 (21:25):


zierlichkeiten

hand an haut
vom anderen
liebkosungen an fleisch
samenter gediegenheit

atem schmiegt sich
koerper herunter
im zufall des gleitens
gestirne ueber dein haupt

naesse der begierde
wird fuehlend sichtbar
zusammengehen im verstehen
geloest in zentimetern

rascheln deines augenaufschlages
mehr schmiegen der waerme
ans verstaendliche
hiersein im du

troestliches geben
im zufall des empfangenen
schweigen im gemeinsamen wissen
um den augenblick

verstandensein im anblick
des steten freuens
gemeinsam empfinden
und beschenkt werden

ausbreitendes einsehen
im geniessen des nebeneinanders
von gewollter poesie
am nahsein

rieseln der wortfetzen
die klar auch
ohne horchen und schauen
wissen um die einigkeit

nichtvergehendes behagen
am beisammensein
schweigsames glueck
ohne zufall

gewollt und hingefuehrt
zum pol der mitte
gefroren im ewigen moment
kristallisiert ohne vergehen

noch betaeubt vom taumel
loest sich der verstand
statt abseits zu stehen
nimmt dem geschehnis seine tugend

straeub dich nicht
deinem wollen zu folgen
mahnt auch der geist
durch seine uneinsichtigkeit

hkh


Dietlinde antwortete am 12.09.01 (17:10):



Ein Gedanke zur Apokalypse und der Trauer um die Menschen in der USA:

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.>>

Rainer Maria Rilke um 1900/1901


Dietlinde


Wolfgang antwortete am 12.09.01 (17:59):

's ist leider Krieg (von Matthias Claudius, 1740-1815)

's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht Schuld daran zu sein!

Was sollt' ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zur Ehren krähten
Von einer Leich' herab?

Was hülf' mir Kron' und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht Schuld daran zu sein.


Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)
Bernhard Moltmann
's ist leider Krieg - und ich begehre nicht Schuld daran zu sein - Die Friedensethik vor neuen Herausforderungen
https://www.hsfk.de/deu/pub/stpkt/sp0297.htm

(Internet-Tipp: https://www.hsfk.de/deu/pub/stpkt/sp0297.htm)


Brita antwortete am 12.09.01 (21:18):

Die Tränen, die ihr vergießt, sind reiner
als das Lachen dessen, der Vergessen
sucht, und süßer als der Hohn des Spötters.
Tränen reinigen die Seele vom Brand des
Hasses, und sie lehren die Menschen,
den Schmerz derer zu teilen, die ein ge-
brochenes Herz haben. Es sind die Tränen
des Mannes aus Nazareth.

Kahlil Gibran
(Ideen, 98)


Wolfgang antwortete am 14.09.01 (00:54):

Auf a Antwort wartn (von Walter KRUMPER)

Manchmoi mecht i woana, woaß net warum,
so vui Gedankn genga im Kopf mia rum.
Mecht manchmoi 10 Sachan auf oamoi doa,
fühl mi stark und doch so kloa.
I füarcht mi oft, woaß net voa wem,
woaß oft net recht, wos soi des Lem?
Oft dura ma seiba weh mit meim Doa
und kim ma oft so lächalich voa.
Frog oiwei nach dem Wieso und Warum im Lem,
de Antwort aba, duads nochm Lem erst gem.


sieghard antwortete am 14.09.01 (14:38):


Tränen

Sie löschen das Feuer
das in dir brennt

Auf Befehl
der bestürzenden Sekunde
rollen sie aus deinen Augen
den Wangenweg herab

Keiner kann sie aufhalten

Sie fragen dich nicht
um Erlaubnis

Verläßliche Salztropfen
deines inneren Meers

Rose Ausländer

.


Ricardo antwortete am 14.09.01 (15:21):

Dieser Satz will mir nicht aus dem Sinn, er hat mich schon immer beschäftigt
und jetzt wieder.

Dies eine fühl ich und erkenn es klar,
Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
Der Übel größtes aber ist die Schuld.
Friedrich Schiller ( Die Braut von Messina, Schlußchor)


KarinD antwortete am 14.09.01 (15:32):

O bleibe treu den Toten

O bleibe treu den Toten,
Die lebend du betrübt;
O bleibe treu den Toten,
Die lebend dich geliebt!

Sie starben; doch sie blieben
Auf Erden wesenlos,
Bis allen ihren Lieben
Der Tod die Augen schloß.

Indessen du dich herzlich
In Lebenslust versenkst,
Wie sehnen sie sich schmerzlich.
Daß ihrer du gedenkst!

Sie nahen dir in Liebe,
Allein du fühlst es nicht;
Sie schaun dich an so trübe,
Du aber siehst es nicht.

Die Brücke ist zerfallen;
Nun mühen sie sich bang,
Ein Liebeswort zu lallen,
Das nie hinüberdrang.

In ihrem Schattenleben
Quält eins sie gar zu sehr:
Ihr Herz will dir vergeben,
Ihr Mund vermag's nicht mehr.

O bleibe treu den Toten,
Die lebend du betrübt;
O bleibe treu den Toten,
Die lebend dich geliebt!

(Theodor Storm)


KarinD antwortete am 15.09.01 (08:28):

Sag mir, wo die Blumen sind

Sag mir, wo die Blumen sind.
Wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Blumen sind.
Was ist geschehn?
Sag mir, wo die Blumen sind.
Mädchen pflücken sie geschwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?


Sag mir, wo die Mädchen sind.
Wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Mädchen sind.
Was ist geschehn?
Sag mir wo die Mädchen sind.
Männer nahmen sie geschwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Männer sind.
Wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Männer sind.
Was ist geschehn?
Sag mir wo die Männer sind.
Zogen fort, der Krieg beginnt.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo Soldaten sind.
Wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo Soldaten sind.
Was ist geschehn?
Sag mir wo Soldaten sind.
Über Gräber weht der Wind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Gräber sind.
Wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Gräber sind.
Was ist geschehn?
Sag mir wo die Gräber sind.
Blumen wehn im Sommerwind.
Wann wird man je verstehn,
wann wird man je verstehn?

Sag mir, wo die Blumen sind.
Wo sind sie geblieben?
Sag mir, wo die Blumen sind.
Was ist geschehn?
Sag mir wo die Blumen sind.
Blumen wehn im Sommerwind.
Mädchen pflückten sie geschwind.
wann wird man je verstehn?

(Max Colpet)


sieghard antwortete am 15.09.01 (11:26):


Herbst - Vorboten....

Ich sah den Wald sich färben,
die Luft war grau und stumm,
mir war betrübt zum Sterben
und wusst es kaum, warum.

Durchs Feld vom Herbstgestäude
hertrieb das dürre Laub,
Da dacht ich: Deine Freude
ward so des Windes Raub !

Dein Lenz, der blütenvolle,
dein reicher Sommer schwand,
an die gefrorne Scholle
bist du nun festgebannt.

Da plötzlich floss ein klares
Getön in Lüften hoch:
Ein Wandervogel war es,
der nach dem Süden zog !

Ach, wie der Schlag der Schwingen,
das Lied ins Ohr mir kam.
Fühlt ichs wie Trost mir dringen
zum Herzen wundersam.

Es mahnt' aus heller Kehle
mich ja der flücht'ge Gast:
Vergiss, o Menschenseele,
nicht, dass du Flügel hast.

[Emanuel Geibel]

.


sieghard antwortete am 15.09.01 (11:48):

Hallo, liebe Gedicht-FreundInnen,

mich hat das sehr betroffen gemacht,
deshalb schicke ich folgendes ins
Forum.
Hoffentlich ist es hier am Platze.

Liebe Grüße
sieghard

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

WEITERGELEITETETES MAIL

> Betreff: Lichterketten in den Fenstern
>
> Aufgrund des unfaßbaren Geschehens des
> vergangenen Tages möchten wir mit
> diesem Brief an Sie herantreten und bitten
> Sie, diesen kurz durchzulesen.
> Unsere stille Anteilnahme gilt in diesen
> Stunden und Tagen allen Opfern
> mit ihren trauernden Angehörigen. In
> wenigen Sekunden hat das Leben
> tausender Familien eine dramatische
> Wendung genommen. Familien, mit Plänen,
> Zielen und Wünschen, seit den
> Vormittagsstunden des 11. September 2001
> haben alle diese keinen Bestand mehr. Mit
> Worten ist dieses Leid unmöglich
> auszudrücken.
> Jeder von uns, JEDER!!!, kann diese Welt
> ein klein wenig besser machen,
> anderen Menschen ein Lichtblick sein.
> Jeder nach seinen Möglichkeiten,
> oftmals nur sehr bescheidenen
> Möglichkeiten, die aber in der Summe eine
> beachtliche Vielzahl darstellen. Dies
> alles nach der Devise: Geteiltes Leid
> ist halbes Leid.
> Teilen wir dieses Leid! Heute, Morgen, an
> einem jedem Tag. Heute hilft
> es anderen, morgen eventuell DIR und MIR.
> Wir möchten Sie hiermit um folgendes
> bitten.
> Drücken auch Sie Ihre Anteilnahme
> betreffend der Geschehnisse für die
> Opfer und deren Angehörige aus. Die
> Anregung und Bitte hierzu lieferte uns
> ein befreundetes Amerikanisches
> Internetunternehmen.
> Dies ginge recht einfach anhand einer
> Lichterkette.
> Da statistisch gesehen Samstags am Abend
> die meisten Leute daheim sind,
> bitten wir Sie, am kommenden Samstag, dem
> 15.09.2001 ab 20:00 Uhr eine Kerze
> oder ein anderes Licht in ein oder
> mehreren Fenstern Ihrer Wohnung
> aufzustellen.
> Wir hoffen, auf diese Art unsere Städte in
> Deutschland ein wenig SICHTBAR zu erhellen
> und somit einmal mehr unsere gemeinsame
> uneingeschränkte Anteilnahme bekunden zu
> können.
> Bitte leiten Sie diese Information an Ihre
> Bekannten und Freunde weiter,
> um somit meistmögliche Internetuser vom
> Vorhaben zu informieren!
> Mit freundlichen Grüßen und bestem Dank
> für Ihre Unterstützung.

.


Erich Kästner antwortete am 15.09.01 (13:05):

Kennst du das Land,
wo die Kanonen blühn?

Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Bureaus, als wären es Kasernen.

Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe.
Und unsichtbare Helme trägt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe.
Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!

Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will
- und es ist sein Beruf etwas zu wollen -
steht der Verstand erst stramm und zweitens still.
Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen!

Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren.
Dort wird befördert, wer die Schnauze hält.

Kennst du das Land? Es könnte glücklich sein.
Es könnte glücklich sein und glücklich machen!
Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein
und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen.

Selbst Geist und Güte gibt’s dort dann und wann!
Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.
Das will mit Bleisoldaten spielen.

Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün.
Was man auch baut - es werden stets Kasernen.
Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!

(Erich Kästner)


Ernst Jandl antwortete am 15.09.01 (13:07):

Im Schlaf

er traf einen baum.
er baute darunter sein haus.
er schnitt aus dem baum
einen stock heraus.
der stock wurde seine lanze.
die lanze wurde sein gewehr.
das gewehr wurde seine kanone.
die kanone wurde seine bombe.
die bombe traf sein haus und riss
den baum an den wurzeln aus.
er stand dabei und staunte,
aber auf wachte er nicht.

(Ernst Jandl)


Georg Heym antwortete am 15.09.01 (16:40):

Der Krieg I
Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.
In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,
Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.
Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.
In der Ferne wimmert ein Geläute dünn
Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an
Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an.
Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,
Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

Über runder Mauern blauem Flammenschwall
Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.

In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein
Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.
Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,
Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

Und mit tausend roten Zipfelmützen weit
Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,
Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,
Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr.

Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.
Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
In die Bäume, daß das Feuer brause recht.

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühnden Trümmern steht
Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
In des toten Dunkels kalten Wüstenein,
Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

Georg Heym


Brita antwortete am 15.09.01 (21:37):

... in dem Pieper-Bändchen "Wir fanden einen Pfad"
(für Dr. Rudolf Steiner) habe ich dieses Gedicht von
Christian Morgenstern gefunden...


WER VOM ZIEL NICHT WEISS,
kann den Weg nicht haben,
wird im selben Kreis
all sein Leben traben;
kommt am Ende hin,
wo er hergerückt,
hat der Menge Sinn
nur noch mehr zerstückt.

Wer vom Ziel nichts kennt,
kann's doch heut erfahren;
wenn es ihn nur brennt
nach dem Göttlich-Wahren;
wenn in Eitelkeit
er nicht ganz versunken
und vom Wein der Zeit
nicht bis oben trunken.

Denn zu fragen ist
nach den stillen Dingen,
und zu wagen ist,
will man Licht erringen:
wer nicht suchen kann,
wie nur je ein Freier,
bleibt im Trugesbann
siebenfacher Schleier.


hl antwortete am 16.09.01 (09:12):

ist das so?

nichts ist mehr wie es war
alles ist wieder wie es war
frauen weinen
männer ziehen in den krieg
kinder haben grosse augen
alles ist wie es immer war
nichts dazu gelernt?


entsetzen, trauer, furcht
vorurteil, pauschaldenken
ideologie statt vernunft
und angst, angst, angst
terror(,) macht(,) gewalt
frieden wird zum fremdwort


nichts ist mehr wie es war
alles ist wieder wie es war
einer gibt die richtung
viele laufen mit
widerstand ist zwecklos?
alles ist wie es immer war
nichts dazu gelernt?

hl


sieghard antwortete am 16.09.01 (09:57):


Christen...
... Nachfolger oder Mitläufer?
Lebensretter oder Lebenszerstörer?
Schenkende oder Nehmende?
Kreuzträger oder Kreuziger?
Solidarisch mit den Armen oder
Handlanger der Täter?
.


Wolfgang antwortete am 16.09.01 (13:28):

Mit den Vögeln wegfliegen möchte ich jetzt. Weg vor all den hysterischen Kriegern. Dem Wahnsinn entkommen. Noch einmal den Frühling erleben. Wegfliegen. Vielleicht fliegt ja jemand mit... :-)

Am Fenster lehn ich (von THEODOR STORM)

Am Fenster lehn ich, müd verwacht.
Da ruft es so weithin durch die Nacht. -
Hoch oben hinter Wolkenflug
Hinschwimmt ein Wandervogelzug.

Sie fahren dahin mit hellem Schrei
Hoch unter den Sternen in Lüften frei.

Sie sehn von fern den Frühling blühn,
Wild rauschen sie über die Lande hin.

O Herz, was ist's denn, das dich hält?
Flieg mit, hoch über der schönen Welt!

Dem wilden Schwarm gesell dich zu;
Vielleicht siehst auch den Frühling du!

Dann gib noch einmal aus Herzensdrang
Einen Laut, ein Lied, wie es einstens klang!


hl antwortete am 16.09.01 (15:11):

Noble Eagle

Flieg, Adler, flieg
es ist mal wieder Krieg
nobel geht die Welt zugrunde
Menschheit stirbt an dieser Wunde

edel und prächtig
dein Gefieder?
sagst, du bringst
den Frieden wieder?

Flieg, Adler, flieg
Du bringst uns allen Krieg
Deine Federn werden glänzen
unser Blut färbt alle Grenzen

mächtig dein Ego
klein dein Geist
eagle for ever
dein Machtbeweis

Flieg, Adler, flieg
diesmal gibt es keinen Sieg
nobel geht die Welt zugrunde
Menschheit stirbt an dieser Wunde

hl


Brita antwortete am 16.09.01 (15:46):

....Oh, Heidi - dein Gedicht sitzt... sitzt sehr gut....

Ich habe viele Gefühle in meinem Herzen, hier
die esoterische Seite....etwas weltfern...

VON DER GERECHTIGKEIT

Ihr vermöget nicht, den Gerechten vom
Ungerechten zu trennen, noch den Guten
vom Bösen.
Denn vor dem Antlitz der Sonne stehen
sie beieinander, so wie der schwarze Faden
und der weiße zusammen verwebt sind.
Und reißt der schwarze Faden, so muß
der Weber das ganze Gewebe prüfen und
auch den Webstuhl untersuchen...
Und wer die Schuldigen geißeln will, der
forsche erst in der Brust der Beleidigten.
Und wer von euch im Namen der Gerechtigkeit
strafen und die Axt setzen möchte
an den Baum des Übels, der prüfe erst
dessen Wurzeln.
Und wahrlich, er wird finden die Wurzeln
des Guten und des Bösen, des Fruchtbaren
und des Unfruchtbaren, dicht verflochten
miteinander im stummen Schoße der Erde...
Und ihr, die ihr vorgebt Gerechtigkeit
zu verstehen, wie solltet ihr dessen fähig
sein, so ihr nicht alle Taten betrachtet,
im vollen Lichte?
Erst dann werdet ihr wissen, daß der
Aufrechte und Gefallene wie e i n Mensch
sind, stehend im Dämmern zwischen der
Nacht seines Zwergseins und dem Tag seines
göttlichen Ichs,
Und daß der Eckstein des Tempels
nicht höher ist, als der niedrigste
Stein im Fundamente.

Khalil Gibran
aus "Der Prophet"


Rosmarie Vancura antwortete am 16.09.01 (18:55):

Von der Traurigkeit dieser Welt

Die unter uns leichten Sinnes sind, meinen,
diese Welt sei eine Lustbarkeit,
sie wollen ihre Frist angenehm verbringen.
Aber die Erde ist kein Freilichttheater,
auf dem Gottes Komödien abrollen
Die Erde ist voller Hunger und Kampf,
und immer gibt es Breitengrade,
auf denen getötet und geschändet,
auf denen verbrannt und verhungert wird,
und selbst der Schnee sportlicher Lustbarkeien
läßt hilflose Kreaturen erfrieren.

Zur gleichen Minute vieltausendfachen Sterbens
sitzen auf erleuchteten Terrassen des Wohllebens
Ahnungslose, unbeschwert Geniessende,
gelangweilt an überladenen Tischen
des verschonenenden Todes,
der ihrer Torheit in der Ferne wartet.

Wohl ist kein Sterblicher
zur Traurigkeit verdammt,
und unsere kurze Zeit ist
für viele gewiss eine Köstlichkeit.
Doch es steht den Fröhlichen wohl an,
sich da und dort zu erinnern,
dass die Lust der Verschonten
mit millionenfachen Toden bezahlt
jedoch niemals ausgeglichen wird.

Gebhard Schuhböck.


Gila antwortete am 17.09.01 (01:36):

Aus dem Koran (5:33):

Wenn jemand einen anderen Menschen tötet, so soll es sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so soll es sein, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten.


Heidi antwortete am 17.09.01 (03:00):

aus der Bibel:

Liebe Deinen Nächsten..

Du sollst nicht töten..


sieghard antwortete am 17.09.01 (16:50):


Satan geht um,
Der Faden rollt sich sausend ab.
Minuten noch, die letzten dann,
Und stäubend rieselt in sein Grab,
Was einstens war ein höchstes Haus.
Auf Sturmesfittichen der Feind
Zertrümmert, brennt, zerstäubt,
Und krachend Stein an Stein zerbrach.
Mir brüht der Schweiß der tiefsten Angst
Auf Stirn und Hand.
Und horch, Sterbemelodie
Die Glocke regt den ehern Mund.
Sei gnädig ihrer, unsrer letzten Stund.

.


Rosmarie S antwortete am 17.09.01 (18:39):

Ich lass den Satan außen vor,
genügt doch auch der Mensch, versagend,
der Liebe, Maß, Respekt verlor,
nach fremdem Leben nicht mehr fragend
in Hybris Weltenrächer spielt,
zerstörend, tötend, tief verblendet,
der wahres Menschsein nicht mehr fühlt
und alte Werte umgewendet.

Lasst uns nicht auch im Hass ersticken,
in Blindheit jedes Maß verliern,
lasst uns besonnen näher rücken,
noch Ruhe, Güte, Klarheit spür´n.
Ist eignes Tun uns auch versagt,
so hat doch Einfluss unser Denken.
Wo Menschlichkeit aus Trümmern ragt,
wird sie Entscheidungen mitlenken.


sieghard antwortete am 18.09.01 (22:38):


O schaurig ists über Trümmer zu gehn,
Wenn es wimmelt von Steinen und Brocken,
World Trade Center Schreckensruine,
Der Qualm noch spricht von dem Terror.
Und vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicken die Stangen,
Die Menschen rennen, gespannt das Ohr,
Durch geborstene Eisenträger.
Hohl um den Globus sauset die Angst,
Krieg oder nicht Krieg, du bangst!
.


xxx antwortete am 19.09.01 (11:00):

Wind verscheuchte mir die Träume,
Meinen Atem fühlt' ich schwinden,
Rennend aus der Nacht der Bäume
Hofft' ich meinen Freund zu finden.

Aber ach, ins Rund der Felder
Fiel der Wind und blies in Asche.
Wolke Staubes traf mich bälder,
Als er selbst mich überrasche.

Schon begann ein Rauch zu sinken.
Staub verdarb mir Kleid und Haare.
Tief am Morgenhimmel blinken
Sah ich todgeweihte Aare.

Und ich stand und schrie mich heiser,
Doch die Aare, silberprangend
Flogen fort und schwanden leiser,
Als mein Freund mir einst gegangen

Georg von der Vring


Brita antwortete am 19.09.01 (14:25):

...zwischen diesen schönen Beiträgen ein
Gebet von Mascha Kaléko....

Gebet

Herr: unser kleines Leben - ein Inzwischen,
Durch das wir aus dem Nichts ins Nichts enteilen.
Und unsre Jahre: Spuren, die verwischen,
Und unser ganzes Sein: nur ein Einstweilen.

Was weißt du, Blinder, von des Stummen Leiden!
Steckt nicht ein König oft in Bettlerschuhn?
Wer sind wir denn, um richtend zu entscheiden?
Uns ward bestimmt, zu glauben und zu tun.
-Laß du uns wissen, ohne viel zu fragen.
Lehr uns in Demut schuldlos zu verzeihn.
Gib uns die Kraft, dies alles zu ertragen,
Und laß uns einsam, nicht verlassen sein.

Mascha Kaléko


Rosmarie Vancura (Ruzenka) antwortete am 19.09.01 (14:35):


Mut

Warum soll ich Deine ausgestreckte Hand nicht halten,
mich nicht fallen lassen in die Wärme Deines Du?

Warum mein Leben nicht nach meinem Wunsch gestalten,
mich froh hingeben an den goldenen Traum?

Warum nicht faul sein,Trägheit geniessen und Ruh'
tapfer an sich selber denken, sich was zuzutraun?

Warum nich einfach fröhlich sein und Freude zeigen
Freipass geben diesem unbekannten Wirgefühl?

Warum mich nicht einfach übers Leben neigen?
Der schönen Dinge gibt es ach so viel,
Mit einem Quentchen Mut und Eigensinn
würde so mein Lebensrest noch zum Gewinn.


Herbertkarl Huether antwortete am 19.09.01 (22:08):


kreiselnd

Dunst des grauen meeres
schwadend ueber mein gewissen
lichtkreuze wohlgepackt
leuchtend im blick

krinolinenartige leiber
horten ihr gold
seufzer versuchter leidenschaften
fesseln des gemuets


klage an versehrte gottheiten
legen nerven von erschauern los
gruenkernige wasserspiele
saugen sich am haar fest

spiel der gesinnung
mit trubel im gesims
roete der geschlossenheit
uebergangener gefuehle

verhaertete wanzen im dunst
unannehmlickeiten in verspuerter haut
sinne mit spinnenfingern
tasten sich vor

querverbundende eindruecke
von allgemeiner samtheit
empfinden von beziehung
ausserhalb der selbstheit

geruch an waerme verflossener
gemeinsamkeiten im schweisse
wuehlen in den abstaenden des zusammenseins
legen des kopfes an die nichtexistierende schulter

suchender kuss
und druck von lust
auf annehmende lippen
nahsein in der ferne


hkh


sieghard antwortete am 19.09.01 (22:15):


Ein ritter so geleret was,
daz er an den buochen las,
swaz er dar an geschriben vant:
der was Hartman genant,
dienstman was er zouwe.
er nam im manige schouwe
an mislichen buochen:
dar an begunde er suochen,
ob er iht des vunde,
da mitte er swaere stunde
möhte senfter machen,
und von so gewanten sachen,
daz gotes eren töhte
und da mite er sich möhte
gelieben den liuten:
nu beginnet er iu diuten
ein rede, die er geschriben vant.
dar umbe hat er sich genant,
daz er siner arbeit,
die er dar an hat geleit,
iht ane lon belibe,
und swer nach sinem libe
si hoere sagen oder lese,
daz er im bittende wese
der sele heiles hin ze gote.

[Hartmann von Aue]


eva antwortete am 20.09.01 (09:11):

Sieghard, danke für den schönen Hartmann, man sollte sich
wirklich öfer die Alten ansehen. Mir ist da jetzt wieder
der Stricker in die Hände gefallen, der erzählt so herr-
liche Wundergeschichten. Hier ein kurzer Auszug aus dem
Epos "Daniel von dem Blühenden Tal", in den Kreis der
Artuslegenden gehörig, voll (unfreiwilliger ?) Komik. Hier erzählt ein Riese der Tafelrunde von den schönen
Frauen im Reiche seines Königs MATUR von Cluse :

...ein vogel heizet Babian,
der hant die frouwen da vil
und swer sie haben wil
(da enist niht widere),
er hat ein solich gevidere,
ich hoere die frouwen jehen
daz sie sich drinne besehen
als in einem spiegel oder baz.
noch danne so geniezent sie sin daz :
ze swelher zit die frouwen
daz wetter wellent schouwen,
so swebent die vogel ober in.
sie hant die kunst und den sin
daz sie sie vor dem sunnen
vil wol beschirmen kunnen.
nahtes so man slafen gat,
swa der selbe vogel stat
in der kemenaten,
so ist man des beraten :
man gesiht von ime dar inne
sam eine kerze da brinne,
und singet danne schone
in eim so suezen done
beidiu naht unde tac
daz man in gerne hoeren mac. ...


Also eine Zusammenfassung von Spiegel, Sonnenschirm,
Nachttischlampe und Radio - wer wollte nicht solch einen
Vogel haben ??!!





hl antwortete am 20.09.01 (14:44):

Horto recreamur amoeno
(Im lieblichen Garten erholen wir uns)

Der habe Lust zu Würfeln und zu Karten,
Der zu dem Tanz und der zum kühlen Wein.
Ich liebe nichts, als was in diesem Garten
Mein Drangsalstrost und Krankheitsarzt kann sein.
Ihr grünen Bäume,
Du Blumenzier,
Ihr Haus der Reime,
Ihr zwinget mir
Dies Lied herfür.

Mir mangelt nur mein Spiel, die süße Geige,
Die würdig ist, daß sie mit Macht erschall
Hie, wo das Laub und die begrünten Zweige
Am Graben mich umschatten überall,
Hie, wo von weiten
Die Gegend lacht,
Wo an der Seiten
Der Wiesen Pracht
Mich fröhlich macht.

Was mir gebricht an Geld und großen Schätzen,
Muß mein Gemüt und dessen güldne Ruh
Durch freies Tun und Fröhlichkeit ersetzen,
Die schleußt vor mir das Haus der Sorgen zu.
Ich will es geben
Um keine Welt,
Daß sich mein Leben
Oft ohne Geld
So freudig hält.

Gesetzt, daß ich den Erdenkreis besäße
Und hätte nichts mit guter Lust gemein,
Wann ich der Zeit in Angst und Furcht genösse,
Was würd es mir doch für ein Vorteil sein?
Weg mit dem allen,
Was Unmut bringt!
Mir soll gefallen,
Was lacht und singt
Und Freud erzwingt.

Ihr alten Bäum' und ihr noch jungen Pflanzen,
Ringsum verwahrt vor aller Winde Stoß,
Wo um und um sich Freud und Ruh verschanzen,
Senkt alle Lust herab in meinen Schoß.
Ihr sollt imgleichen
Durch dies mein Lied
Auch nicht verbleichen,
Solang man Blüt
Auf Erden sieht.

Simon Dach (1605-1659)


sieghard antwortete am 20.09.01 (15:54):


September von Erich Kästner

Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn.

Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.

Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessnen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.

Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln möchten in den Himmel.
Doch sind sie wohl nicht fromm genug.

Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.

.


KarinD antwortete am 20.09.01 (16:11):

Liebe Heidi, SCHÖN, daß Du wieder mitschreibst!!

Hier etwas Kurzes zum Thema Frieden:

Schön ist der Friede
Ein lieblicher Knabe
Liegt er gelagert am ruhigen Bach
Und die hüpfenden Lämmer grasen
Lustig um ihn auf dem sonnigen Rasen.

(Friedrich Schiller)


Gruß von Karin.


hl antwortete am 20.09.01 (16:47):

wachsam

doch die raubvögel lauern
versteckt im dickicht
hütet euch lämmer
bleib wachsam, knabe
die adler fliegen
immer noch

hl


hl antwortete am 20.09.01 (16:49):

Ballade des äusseren Lebens

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,
Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,
Und alle Menschen gehen ihre Wege.

Und süße Früchte werden aus den herben
Und fallen nachts wie tote Vögel nieder
Und liegen wenig Tage und verderben.

Und immer weht der Wind, und immer wieder
Vernehmen wir und reden viele Worte
Und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.

Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte
Sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,
Und drohende, und totenhaft verdorrte...

Wozu sind diese aufgebaut und gleichen
Einander nie? und sind unzählig viele?
Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?

Was frommt das alles uns und diese Spiele,
Die wir doch groß und ewig einsam sind
Und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

Was frommts, dergleichen viel gesehen haben?
Und dennoch sagt der viel, der "Abend" sagt,
Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt

Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.

Hugo von Hofmannsthal


hl antwortete am 20.09.01 (22:38):

Finale con Moto

Du hast in mir viel Lichter angezündet,
mit blauen Träumen mir den Tag erfüllt,
Und alles Blühen, alles Leuchten mündet
Noch im Erlöschen hin zu deinem Bild.

Du kamst: Zum Garten ward das Grau der Straßen.
Du kamst nicht, und der Tag hat nicht gezählt.
Wie hat, allein, das Leben mich gequält.
Der große Trug, den wir zu zweit vergaßen.

Es war der gleiche Sang in unserm Blut,
die gleiche Saite, jäh entzweigerissen.
Ein müder Klang, um den wir selbst kaum wissen,
Jahrtausendalte, halberstorbne Glut.

Verwehter Ton, der noch im Klingen schweigt,
Gesumm, das ohne Anfang ist und Ende.
Da sich der Schatten deines Ahns dir neigt,
Umfängt auch mich der Segen seiner Hände.

Stumm zu verlöschen, ist der letzte Sinn,
Still fortzugehen, eh das Feuer schwindet.
Du hast in mir viel Lichter angezündet...

Du sollst nicht wissen, daß ich einsam bin.

Mascha Kaleko


G. Segessenmann, alias Georg von Signau antwortete am 21.09.01 (08:47):

Vergangenes schon fast vergessen;
mit frischen Kräften und Elan
erfreuen uns die "Alten", Kessen;
so ruf ich denn: "Hurra, wohlan!"
Und wurde auch manch Bock geschossen;
der Kreis ist wieder fest geschlossen!

Schorsch


sieghard antwortete am 21.09.01 (09:30):


"In the city of God there will be a great
thunder, two big brothers torn apart by
Chaos, while the fortress endures, the
great leader will succumb. The third big
war will begin when the city is burning"

[Nostradamus 1554 ]

.


Rosmarie S antwortete am 21.09.01 (09:53):

Lieber Sieghard,

Nostradamus`Vorhersagen sind trotz vieler Versuche zeitlich nicht festzulegen. Sicher, es kann jedem überlassen bleiben, solche Vorhersagen am Hier und Jetzt festzumachen...

Ich selbst sehe aber nicht nur Gefahren in dem, was jetzt um uns geschieht, sondern auch eine sehr große Gefahr darin, Angst zu säen.
Wenn wir schon mit nicht fassbaren Ebenen operieren, so ist mir dieses Gebet lieber:

Ich trau auf deine Hand,
dass sie uns wohl behüte,
weil alle deine Güte
und Liebe uns bekannt.
Und dass ein sichrer Hort
das Unheil von uns wende.
Herr, in deine Hände!
Dies sei mein letztes Wort.

Verfasser mir unbekannt

Herzlichen Gruß
Rosmarie


Brita antwortete am 21.09.01 (12:58):

....euer reichhaltiges Angebot an schweren
und guten Gedanken, an pfiffigen Antworten
und schönen Gedichten tut gut...

Herbstanfang

Die Nachtigall in meinem Garten schweigt.
Die Welt wird leer.
Und auch die Geige in der Ferne
Geigt nicht mehr.
Der Sommer flieht.
Mit jedem Tage stiller wird mein Lied.

Und jährlich trüber schleicht der Hebst sich ein,
Und tiefer, tiefer, schneit der Schnee mich ein.
Von Wolken schwer,
Die Stirn sich neigt.
Die Welt wird leer.
Die Nachtigall in meinem Garten schweigt.

Mascha Kaléko


Luzia antwortete am 21.09.01 (13:42):

Ende des Herbstes

von Rainer Maria Rilke

Ich sehe seit einer Zeit,
wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
und tötet und tut Leid.

Vom Mal zu Mal sind all
die Gärten nicht dieselben;
von den gilbenden zu der gelben
langsamem Verfall:
wie war der Weg mir weit.

Jetzt bin ich schon bei den leeren
und schaue durch alle Alleen.
Fast bis zu den fernsten Meeren
kann ich den ernsten schweren
verwehrenden Himmel sehn.


hl antwortete am 21.09.01 (21:19):

Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.

Dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau
Von birken und von buchs, der wind ist lau,
Die späten rosen welkten noch nicht ganz
Erlese küsse sie und flicht den kranz

Vergiss auch diese letzten astern nicht
Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht

Wir schreiten auf und ab im reichen flitter
Des buchenganges beinah bis zum tore
Und sehen aussen in dem feld vom gitter
Den mandelbaum zum zweitenmal im flore

Wir suchen nach den schattenfreien bänken
Dort wo uns niemals fremde stimmen scheuchten
In träumen unsre arme sich verschränken
Wir laben uns am langen milden leuchten

Wir fühlen dankbar wie zu leisem brausen
Von wipfeln strahlenspuren auf uns tropfen
Und blicken nur und horchen wenn in pausen
Die reifen früchte an den boden klopfen

Stefan George (1868-1933)


Herbertkarl Huether antwortete am 21.09.01 (22:07):

ruderlos

segelt mein schiff
den stuermen entgegen
vorbei am riff selbstliebe
im himbeerbonbonfarbenen ozean

last wurd lust
noch sieht man gestalten
der verschmolzenenen erinnerungen
geschafftes lieben im pfuehl

beben der sinne
nerven in ekstase
hin noch ein blick
ins schoene

erdkroetengleich schiebt sich
pfahl ins herz
ausbuchtungen der begierden
froehnen dem saum

weit hinab den straenden
der fruchtbarkeit denk
ein gelingen im mittendreinsein
gebeugter zoepfe

hauch vom liebenden odem
fegt dein haar aus der stirn
perlender schweiss dankt dem gespons
fuer traechtige stunden

fahren der flaechen
hinab zum zeh
des grundes
allweil ein seufzen bekunden verriet

so leg ich ab
meine bedenken der reue
und zeig der herrlichkeit
meine glueckhaften augen

hkh


sieghard antwortete am 21.09.01 (23:08):


Ein doppeltes Leben,
Zwei Segel auf dunkelnder Flut,
Sie ziehen und schweben -
Sie rötet der Abend mit Glut.

Wie eins in den Winden
Sich schwellt und die Schwingen bewegt,
Wird gleiches Empfinden
Im Wandergefährten erregt.

[C.F.Meyer]

.


hl antwortete am 22.09.01 (05:09):

ruderlos

der faehrmann
hat das ruder aus der hand gelegt
treiben zum fernen ufer
des schweigens
bis der kurs
sich ändert
oder das boot
sinkt

hl


hjb antwortete am 22.09.01 (11:11):

Wie lange noch?

Wie lange noch
muß ich die welt ertragen?
Die Wut kocht auf beiden Seiten hoch
und sie werden sich bald schlagen.

Mein Beitrag? Öfter mal ein Fluch,
ein nettes Wort dann -- das gleicht aus.
Doch ich bin nicht dieser welt genug,
wie sie nicht mir und darum will ich raus.

Doch ist meine Schuld wohl nicht abgetragen,
denn ich sehe obwohl ich nichts erkenne,
höre ohne zu verstehen, spreche ohne zu sagen,
und ich erfriere während ich lichterloh brenne.

Freund, wie hälst Du es mit dem Sein?
Kannst Du dir die Zeit noch sinnvoll vertreiben?
Willst Du in diese Welt ganz hinein
und noch möglichst lange dort bleiben?

Es wäre schön, denn in meinem Schwarzen Loch,
da gibt es nur sinnlos schwere Fragen,
so wie die Anfangs gestellte: Wie lange noch
muss ich diese Welt ertragen?

hjb


Rosmarie Vancura antwortete am 22.09.01 (12:12):

S e l b s t f i n d u n g
__________________________


Auf dem Wege zu mir selbst sind
Zweifel
Unwissen
Ansprüche
Ungeduld
die grossen Stolpersteine...

Und so wandere ich
zwischen den Welten
angeborene Neugier
lässt mich vieles finden...

aber der Weg zu mir selbst
geht mir mehr und mehr verloren

RV


sieghard antwortete am 22.09.01 (13:15):


Ich war
ein Vogel
eine Feder
war ich
oder hat mich
der Morgenstern getäuscht

oder war der Traum
eine Schnecke
in deren Haus
ich mich verlor

Freund
kennst du
die Antwort

[Rose Ausländer 1901 - 1988]

.


hl antwortete am 22.09.01 (14:43):

Unsinn und Sinn

Du suchst und suchst. Und kannst den Sinn nicht finden.
Gib's auf; denn so wirst du ihn nicht ergründen.
Pfeif dir ein Liedchen, träume vor dich hin,
wie oft enthüllt im Un-Sinn sich der Sinn!

Mascha Kaléko


hl-extra antwortete am 22.09.01 (16:01):

Für hjb und mlB

Bis zum Ende

Wir sind in diese Welt gestellt
wir wurden nicht gefragt
wer uns an den Fäden hält
hat man uns nicht gesagt

ob schuldbeladen oder frei
du musst zu Ende leben
dem Schicksal ist es einerlei
wonach wir streben

Wohin, woher, wofür, warum
du stellst endlose Fragen
Antworten gibts, mal klug, mal dumm
doch keiner kann es sagen

der Sinn des Lebens ist, zu leben
wenn möglich, nach dem Guten streben
und kannst du lieben noch dabei
bleibst du vielleicht vom hassen frei

In dunklen Tagen man nur sieht
wie schön die hellen waren
vielleicht bringt dir mein kleines Lied
Antwort auf deine Fragen

Sieh zurück auf helle Zeiten
lösch das Dunkle das dich hält
Liebe kann dabei dich leiten
lieb Dich selbst und lieb die Welt

hl


sieghard antwortete am 23.09.01 (09:00):


Du gibst mich nicht auf.

Du lässt mich zu dir kommen,
egal, wie ich bin und was ich getan habe.
Du lässt mich nicht verloren gehen.
Du gehst hinter mir her.
Du suchst mich, bevor ich es weiß.
Du wartest auf mich,
wenn ich wegrenne.
Du machst dich nicht groß.
Du machst mich nicht klein.

So bist du
Und viel mehr.

Du bist dies alles
Und bist es auch nicht.
Du bist mehr und anders.
Es sind nur Bilder.
Tastversuche zu dir hin.
Du aber sprengst alle Bilder.

"Alles, was du von Gott
sprichst, ist falsch."

[Meister Eckart]

.


eva antwortete am 23.09.01 (09:10):

Ich habe mir den Zeh verstaucht -
das hab´ich grade noch gebraucht !
Kaum glaublich, doch solch kleiner Zeh
tut einfach infernalisch weh .
Statt auszugehn mit alten Kumpeln
muss ich jetzt durch das Leben humpeln.
So sitz ich denn mit kalten Tüchern,
umgeben von ´nem Haufen Büchern,
auf meinem alten Kanapee
und halt die Füße in die Höh ...
Auch sonst gibt es nichts Heiteres :
So Servus - bis auf Weiteres.

eKr ;-)


G. Segessenmann, alias Georg von Signau antwortete am 23.09.01 (10:18):

Nur ein einziger Zeh tut weh?
Du hast, wenn ich das richtig seh,
doch der gesunden Zehen neun;
d a s sollte Dich doch freun!

Geht nicht? Sei nicht von gestern
und machs wie Aschenputtels Schwestern!

(;--)))))

Schorsch


Rosmarie Vancura antwortete am 23.09.01 (14:37):



Lichtblick
______________

Graue Wolken hängen schwer am Himmel
Es ist ein düstrer, dunkler Tag.
Ich muss mich zu der Arbeit zwingen,
Es gibt nichts, was ich richtig mag.
Eine Kinderschar taucht auf
laut schreiend,quitschvergnügt und heiter
und es wird mir deutlich klar:
Auch dunkle Wolken ziehen weiter

RV


eva antwortete am 23.09.01 (15:30):

Viele hör´ich heute klagen
ob der Schlechtigkeit der Welt -
nun, wir müssen sie ertragen,
wenn sie uns auch nicht gefällt.

Denn die Welt, wie wir sie sehen,
ist die Summe unsres Seins,
das gesamte Weltgeschehen
läuft zum Schluss hinaus auf Eins :

Gut und Böse wohnt beisammen
eng vereint in jeder Brust;
mit den anderen verdammen
wir uns selber unbewusst.

Sollten wir uns nicht bemühen
um den Frieden in Geduld ?
Dann wird wohl auch uns verziehen,
denn wir tragen alle Schuld.

Darum Schluss mit allem Klagen,
tun wir ruhig unsre Pflicht
statt nach Andrer Schuld zu fragen -
bessre Welten gibt es nicht !


eKr


Rosmarie S antwortete am 23.09.01 (17:35):

Liebe Eva,

mit deinem Gedicht "Viele hör ich heute klagen..." sprichst du mir aus der Seele!
Genau diese innere Einstellung habe ich auch!

Herzlichen Dank
Rosmarie


Brita antwortete am 23.09.01 (18:25):

.. zum heutigen Tag muss ich auch was sagen:


...Sieghard hat viel Trost gebracht -
Verletzt ist Eva's großer Zeh,
Schorsch hat sogleich den Vers gemacht,
dass neun der andern tun nicht weh!

Wer so viel Echtes fabriziert -
Wie Rosmarie und Eva heut'
Dem Anerkennung voll gebührt,
Das fühlen sicher viele Leut'

bk


Rosmaire Vancura antwortete am 24.09.01 (00:31):

Gleichnisse der Liebe
_______________________

Meine Liebe gleicht der Schwalbe,
Die zwar ihre Wohnung flieht,
Aber immer wiederkehret
Und von neuem ungestöret
Ihr gewohntes Nest bezieht.

Meine Liebe gleicht der Blume
Unbeständig grünem Haupt.
Hat der Frost es gleich entblößet,
Wenn der Mai das Eis zerflößet,
Steht es wieder schön belaubt.

Meine Liebe gleicht dem Schatten,
Der sich auf den Boden malt,
Mit dem Schein des Lichts entweicht,
aber schnell sich wieder zeigt,
Wenn das Licht aufs neue strahlt

Johann Elias Schlegel
1719 - 1749


Rosmarie Vancura antwortete am 24.09.01 (00:44):


In einem Franziskanerkloster in Lyon steht folgendes zu lesen:

Hüte dich
___________

Hüte dich
alles zu begehren
was du siehst
alles zu glauben
was du hörst
alles zu sagen
was du weisst
und alles zu tun
was du kannst.


KarinD antwortete am 24.09.01 (09:28):

HERBSTBEGINN

Der Hirte singt zum Abendstern.
Im Apfel bräunet sich der Kern.
Wipfelmüd die Bäume schweigen.
Nebel in die Wiesen steigen.
Beere sich an Beere hängt.
Zur Aster sich die Hummel drängt.
Der Kern aus reifer Pflaume quoll.
Ein Birnlein in die Faust mir schwoll.
Ich sauge mich ins Fruchtfleisch ein,
die Wange heiß vom ersten Wein.
-------------------
HERBST

Vom Aste steil
fällt schon die Frucht.
Ein goldner Pfeil
den Äther sucht.
--------------------
HERBSTABEND

Ein Wandrer will
den Weg sich noch erfragen.
Vom Scheunentor
gepfählte Käutzlein klagen.

Die Wolke auch
zog ein die goldenen Ruder.
Ruhst du nicht auch
Liebschwesterlein? Liebbruder?

(Richard BILLINGER - "Über die Äcker". Gesammelte Gedichte [1923] Stiasny Verlag 1956)


G. Segessenmann, alias Georg von Signau antwortete am 24.09.01 (09:51):

Abendlicht, die Nacht schon drängt;
der Himmel voller Wolken hängt;
Ruh`kehrt in unsere Herzen ein;
drum lasst uns doch zufrieden sein!

Schorsch


sieghard antwortete am 24.09.01 (15:51):


Die Liebe hemmet nichts;
sie kennt nicht Tür noch Riegel,
Und dringt durch alles sich;
Sie ist ohn Anbeginn,
schlug ewig ihre Flügel,
Und schlägt sie ewiglich.

[Matthias Claudius 1740 - 1815]
.


G. Segessenmann, alias Georg von Signau antwortete am 24.09.01 (21:50):

Kinderweinen


Ich hört` ein Kindlein traurig weinen,
in einer lauen Frühlingsnacht;
`s kam aus dem Garten, wollt` mir scheinen,
als ich aus meinem Schlaf erwacht.

Ich schlüpfte hurtig in die Hose
und in Pantoffeln lief ich `naus,
zerkratzte mich an einer Rose,
die üppig wächst an meinem Haus.

Mit einer Lampe wohl versehen,
sucht` ich nach diesem weinend Kind.
Mein Herz das wird wohl nie verstehen,
wie grausam manchmal Eltern sind.

Und als ich suchte in den Hecken,
wo ich das Klagen wohl vernahm,
da tat ein Schrei mich sehr erschrecken
und meine Beine wurden lahm.

Doch statt ein Kind mit bösem Vater,
der züchtend eine Rute schwang,
sah ich nur `nen verliebten Kater,
der seiner Katz` ein Liedchen sang!

Schorsch 1995


eva antwortete am 25.09.01 (10:44):

Im heurigen Nestroy-Jahr ein Couplet aus "Lumpazivagabun-
dus" - das aber nicht nur ein oberflächlicher Spass ist,
sondern tiefes Missbehagen und Gesellschaftskritik an der
so verharmlosten "Biedermeierzeit" ausdrückt. Es fanden
in dieser vorrevolutionären Zeit tiefe Brüche in der Ge-
sellschaft statt, die jedoch von einer idyllischen glatten
Oberfäche verdeckt wurden. NESTROY war ein sarkastischer,
aggressiver Analytiker dieser Zeit...


Es is kein Ordnung mehr jetzt in die Stern´,
D´Kometen müßten sonst verboten wer´n;
Ein Komet reist ohne Unterlaß
Um am Firmament und hat kein´Paß,
Und jetzt richt´a so a Vagabund
Uns die Welt bei Butz und Stingel z`Grund;
Aber lass´n ma das, wie´s oben steht,
Auch unt´sieht man, daß´s auf´n Ruin losgeht.
Abends´traut man ins zehnte G´wölb sich nicht hinein
Vor Glanz, den sie richten´s wie d´Feentempel ein;
Der Zauberer Luxus schaut blendend hervor,
Die böse Fee Crida sperrt nacher s´Gwölb zur.
Da wird einem halt angst und bang,
Die Welt steht auf kein Fall mehr lang.

Am Himmel is die Sonn´jetzt voll Capriz,
Mitten in die Hundstag´gibt´s kein Hitz´;
Und der Mond geht auf so roth, auf Ehr´,
Nicht anderster, als wann er b´soffen wär´.
Die Millichstraßen oben, die verliert ihren Glanz´,
Die Millliweiber ob´n verpantschen´s ganz;
Aber lass´n ma das, herunt geht´s z´bunt,
Herunt´ schon sieht man´s klar, die Welt geht z´Grund.
Welche hätt´so ein g´schecketen Wickler einst mög´n,
A Harlekin is ja g´rad nur a Spitzbub´dageg´n;
Im Sommer tragn´s Stiefel, a´jour-Strümpf´im Schnee,
Und statt Haub´n habn´s gar Backenbärt´von tull anglais.
Da wird Einem halt angst und bang,
I sag: D´Welt steht auf kein´Fall mehr lang.

Der Mondschein, da mög´ns einmal sag´n was woll´n,
Ich find, er is auf einer Seiten g´schwolln,
Die Stern wer´n sich verkühl´n, ich sag´s voraus,
Sie setzen sich zu stark der Nachtluft aus.
Der Sonn´ ihr Gesundheit ist jetzt a schon weg,
Durch´n Tubus sieht man´s klar, sie hat die Fleck´;
Aber lass´n ma das, was oben g´schiecht,
Herunt´schon sieht man, ´s thut´s in d´Länge nicht.
Sie hab´n Zeitungen jetzt, da das Pfennig-Magazin,
Da is um ein´ Pfennig all´s Mögliche d´rin;
Jetzt kommt g´wiß bald a Zeitschrift heraus, i pari´r,
Da krieg´n d´Pränumeranten umsonst Kost und Quartier.
Da wird einem halt angst und bang,
Die Welt steht auf kein Fall mehr lang. (...)











Rosmarie Vancura antwortete am 25.09.01 (20:06):

DESIDERATA
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Wünsche aus dem Jahre 1692

Geh deinen weg ruhig
Mitten in Lärm und Hast und wisse
welchen Frieden die Stille dir schenkt.

Steh mit allen auf gutem Fuße, wenn es geht
Aber gib dich nicht selbst auf dabei,
Sage deine Wahrheit immer ruhig und klar
und höre den anderen auch an.

Freue dich an deinen Erfolgen und Plänen
Strebe wohl darnach weiterzukommen
doch bleibe bescheiden
das ist guter Besitz
im wechselnden Glück des Lebens.

Sei du selber vor allem
Heuchle keine Zuneigung
wo du sie nicht spürst
Doch denke nicht verächtlich von der Liebe
wo sie sich wieder regt

Nimm den Ratschluss deiner Jahre
mit Freundlichkeit an und gib deine Jugend
mit Anmut zurück, wenn sie endet

Pflege die Kraft deines Gemüts
damit es dich schützen kann
wenn Unglück dich trifft.

Erwarte eine heilsame Selbstbeherrschung von dir
im übrigen sei freundlich und sanft zu dir selbst

Lebe in Frieden mit Gott
wie du ihn jetzt für dich begreifst


Evi antwortete am 26.09.01 (08:19):

Desiderata kennt doch schon jeder.
Steht bestimmt hier schon öfter mal drin, ODER?


sieghard antwortete am 26.09.01 (08:51):

Was dir selbst verhasst ist, das mute auch
einem anderen nicht zu! Betrink dich nicht;
der Rausch soll nicht dein Begleiter sein.
Gib dem Hungrigen von deinem Brot und
dem Nackten von deinen Kleidern. Wenn
du Überfluss hast, dann tu damit Gutes,
und sei nicht kleinlich, wenn du Gutes tust.
Such nur bei Verständigen Rat; einen
brauchbaren Ratschlag verachte nicht!
Preise Gott, den Herrn, zu jeder Zeit; bitte
ihn, dass dein Weg geradeaus führt und
dass alles, was du tust und planst, ein gu-
tes Ende nimmt.

[Tobit 4,15.16.18-19]
.


Rosmarie S antwortete am 26.09.01 (09:10):

Hallo Evi,

sicher. Aber ich habe mich gestern riesig gefreut, Desiderata zu lesen! Du weißt doch, von guten Dingen... :-)))
Im übrigen freue ich mich schon auf deinen vielleicht ja genauso tollen Beitrag?

Einen schönen Altweibersommertag, auch an alle anderen fröhlichen alten Weiber (und Männer)!
Rosmarie


Waltraud antwortete am 26.09.01 (09:31):

hallo alle zusammen, ich melde mich zurück,
fand viele beeindruckende beiträge von euch allen,
aber natürlich mußte ich erst mal lesen, lesen,lesen.
Weil aber nun mal das laub schon allerorten
gelb und rot verfärbt zu sehen ist, heute einige verse
dazu:

Herbst

Herr es ist Zeit.
Der Sommer war sehr groß.
Leg deine Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein,
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin
und jage die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr,
wer jetzt allein ist,wird es immer bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

Schönen Tag für Euch alle.
Ich bin trotz des Herbstes beim "Hausbauen"

Liebe Grüße

Waltraud


Brita antwortete am 26.09.01 (09:40):

Bücher

Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.

Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne, Stern und Mond,
Denn das Licht, danach du frugst,
In der selber wohnt.

Weisheit, die du lang gesucht
In den Bücherein,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt -
Denn nun ist sie dein.

Hermann Hesse


Rosmarie Vancura antwortete am 27.09.01 (14:36):

Leicht bleiben
______________

für G.L.gefunden und ausgesucht


Mach es ihr nicht zu schwer -
Liebe ist etwas Leichtes.
Wie könnte sie sonst so hoch
über die Grenzen der Welt fliegen,
so anmutig und sanft die Schwerkraft
der Ängste und Zweifel besiegen?

Laß uns leicht bleiben -
schwere Herzen kommen nicht
vom Boden los und bauen sich
Luftschlößer zum Trost,
in denen die Gespenster
unerfüllter Sehnsüchte spuken.


Aus: Die Farben der Gefühle
Liebesgedicht von Hans Kruppa
ars edition


Rosmarie Vancura antwortete am 30.09.01 (09:19):

Unsicherheit
______________


Ich bin mir nicht sicher...
Mein Weg war nie schnurgerade
und er wird es nie sein.
Jch kann nicht glauben
dass es so ist,
weil du sagst
dass es ist wie es ist.

Immer nehmen mich beide Seiten in Beschlag.
Und jede Seite hat recht
oder kann sich irren.

Und meine Unsicherheit
zwingt mich
zuzuhören,
zu fragen,
zu beobachten.

Und es wächst der Zwang
endlich etwas zu tun
damit aus Unsicherheit
Sicherheit wird.


RV


eva antwortete am 30.09.01 (11:45):

Wo sind denn die Teilnehmer des Gedichtforums geblieben ??
Es darf doch nicht sein, dass unserer Kriegsgeneration durch
den Terroranschlag alle Lebensfreude genommen wurde !! Ich
habe für diesen Nebelsonntag ein Gedicht von Theodor STORM
ausgewählt (der es in seinem Leben auch nicht leicht hatte,
die "gute alte Zeit" gab es nie !!), und ich hoffe, es ist
der Beginn neuer Aktivität :


Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk´ ein den Wein, den holden !
Wir wollen uns den grauen Tag
vergolden, ja vergolden !

Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt,die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich !

Und wimmert auch einmal das Herz, -
Stoß an und laß es klingen !
Wir wissen doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk´ ein den Wein, den holden !
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden !

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen !
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen !









admin antwortete am 30.09.01 (12:25):


Kapitel 17 wird archiviert und Kapitel 18 eröffnet.

Der letzte Beitrag von Eva wird dorthin übertragen.